Mittlerweile bin ich schon fast eine Woche wieder in den Staaten und habe noch gar nicht über das Abenteuer, das sich Rückflug schimpfte, geschrieben. Und weil für alles im Leben eine mehr oder weniger logische Erklärung existiert, gibt es auch eine dafür, warum ich erst jetzt darüber schreibe: Ich musste mich erst von dem Höllenflug erholen. In meinem Leben bin ich schon so manches Mal über den Ozean nach Deutschland geflogen und wieder zurück, aber so etwas wie diesen Flug hab ich noch nie erlebt.
Es fing alles ganz harmlos in Deutschland an. Schon am Flughafen habe ich mich beim Einchecken und den Sicherheitskontrollen natürlich immer die Schlange gestellt, die sich am langsamsten vorwärts bewegt hat. Die Kunst, immer genau die langsame Schlange zu erwischen ist eine angeborene Begabung - sowas kann man einfach nicht lernen. Das steckt im Blut. Fast so wie das Talent, im Supermarkt immer den Einkaufswagen mit dem kaputten Rad, das durch die Gegend eiert, zu erwischen - worin ich übrigens auch Großmeister bin.
Naja, irgendwann hab ich es dann auch bis ins Flugzeug geschafft und da saß ich dann mit 300 anderen Passagieren. Und wir saßen... und saßen... und saßen.
Na klar, denkt Ihr Euch jetzt,
so ein Flug in die Staaten kann auch schon mal 8-9 Stündchen dauern, da sitzt man halt lange. Nur, dass das Flugzeug auch saß. Und zwar immer noch in Deutschland auf dem Rollfeld. Und es bewegte sich nicht vorwärts. 5 Min., 10 Min. 1 Stunde und nach 2 Stunden saßen wir immer noch da. Warum, wusste niemand so genau. Wir saßen halt.
Dabei hatte ich noch das Glück, dass neben mir ein fescher deutscher Medizinstudent saß, der sich gerade auf dem Weg zu seinem Praktikum in Brasilien befand. Also, war die Sache noch nicht soooooo schlimm. Bei solchen knackigen Sitznachbarn bleibt Frau auch gerne noch 2 Stündchen länger sitzen. Hihi.
Irgendwann hat der Flieger auch mal abgehoben und wir waren endlich auf dem Weg in die Staaten. Alles war in Ordnung - bis es das Essen gab.
Ich verstehe einfach nicht, warum diese Fluglinien immer noch Fleischgerichte in ihrem Programm haben. Fleisch schmeckt in Flugzeugen sowie so immer nach Pappe. Ja, klar, ich esse auch sehr gerne Fleisch, aber in einem Flugzeug, in dem man auf engstem Raum aufeinandersitzt, eingeklemmt durch ein Tablett und Schulter an Schulter mit dem Nachbarn, macht so ein Schnitzel einfach keinen Sinn. Sollte man nicht gerade einer Akrobatenfamilie entstammen, grenzt es an eine physikalische Unmöglichkeit, auf so engem Raum irgendwelches Fleisch zu schneiden, ohne dabei seinen Nachbarn zu verletzen. Der Nachbar war natürlich ich und der Täter war der nicht mehr ganz so süß erscheinende Medizinstudent, der sich an einem zu zäh gebratenem Hähnchenschnitzel auf sein chirurgisches Praktikum vorzubereiten schien.
Kleine Notiz an meine Leser:
Wenn Ihr das nächste Mal fliegt, wählt das Nudelgericht und lasst Euren Nachbarn leben!
Naja, ein paar Stunden später bin ich endlich in Atlanta gelandet. Im Laufe des Fluges hab ich zwar einige Nerven verloren, aber dafür war ich bei der Landung um ein paar blaue Flecken von meinem Sitznachbarn reicher. So gleicht sich dann alles irgendwie wieder aus.
In Atlanta sollte ich ursprünglich 7 Stunden Aufenthalt haben, aber das waren ja jetzt nur noch 5 wegen des verspäteten Abflugs. Also hatte ich viel Zeit, mich im Flughafen ein wenig umzusehen.
An keinem anderen Platz der Welt, werden auf so engem Raum von so vielen Menschen so viele unterschiedliche Emotionen geteilt wie in einem Flughafen. Ich suche gerne nach diesen Emotionen in den Gesichter der anderen Reisenden während ich auf meinen Anschlussflug warte. Fünf Stunden später war ich aber wirklich bereit für den Weiterflug. Mittlerweile war es schon 20 Stunden her, seit ich mit meiner Mutter zum Flughafen in Deutschland gefahren war. Ich war bereit für mein Bett. Aber das sollte noch ein wenig auf mich warten...
An dem Gate, von dem aus es weiter gehen sollte, wurde uns mitgeteilt, dass unser Flug 30 Min. Verspätung hat. Ich hätte es wissen sollen, dass das Gewitter bei unserer Ankunft in Atlanta nichts Gutes bedeuten würde. Aber 30 Minuten sind ja nicht die Welt, die konnte ich auch noch warten.
Doch die neue Abflugzeit kam und die neue Abflugzeit ging auch wieder. Nur von unserem Flieger war auf dem ganzen Flughafen nichts zu sehen. Dann wurde aus den 30 Minuten plötzlich eine Stunde, aus der einen Stunde wurden zwei und drei usw. bis uns um 1 Uhr morgens mitgeteilt wurde, dass unser Flug gecancelt wurde. Na super!
Die freundlichen Mitarbeiter der amerikanischen Fluglinie mit dem griechischen Buchstaben im Namen konnten uns auch nicht weiterhelfen, denn deren Schicht war gerade zu Ende und was uns denn überhaupt einfallen würde jetzt, mitten in der Nacht unseren Flug umbuchen zu wollen. Sie müssten jetzt nach Hause zu ihren Familien und ins Bett. Na dann, gute Nacht, Marie!
Nachdem ich mit mindestens 4 verschiedenen Mitarbeitern der Chaotengesellschaft gesprochen hatte, geriet ich endlich an eine Mitarbeiterin, die mich auf den nächsten freien Flug nach Hause umbuchen wollte, und der wäre dann drei Tage später gewesen. Ich muss die Mitarbeiterin wohl ein wenig zu lange mit weit aufgerissenen Augen und heruntergeklapptem Kiefer angestarrt haben, denn sie fügte noch gleich hinzu, dass die Fluggesellschaft natürlich auf gar keinen Fall für ein Hotel oder Essen oder sonstige Kompensationen aufkommen würde, denn es wäre ja schließlich nicht die Schuld der Gesellschaft, dass das Wetter schlecht wäre.
Na super! Ich sollte also 3 Tage auf eigene Kosten in Atlanta bleiben bis die mich in den nächsten Flieger setzen würden. Als ich das Bewusstsein wieder erlangte, bat ich die gute Frau dann aber doch lieber, mich auf einen Flug nach Chicago umzubuchen, damit ich von dort aus den Bus nach Hause nehmen könnte. Der nächste Flug, auf den ich endlich gebucht wurde, sollte um 7 Uhr morgens gehen. Bis dahin waren es ja nur noch 6 Stunden und da die Fluggesellschaft kein Hotel bezahlen wollte, musste ich wohl oder übel auf dem Flughafen übernachten.
Ich sag es Euch, man muss schon sehr kreativ sein, um aus einem Laptop, einer Frauenzeitschrift und ein paar Dissertationsnotizen ein gemütliches Nachtlager zu basteln. Zum ersten Mal in meinem Leben bereute ich es, als Kind nicht den Pfadfindern, sondern dem Turnverein begetreten zu sein. Und obwohl ich zu dem Zeitpunkt schon mehr als 24 Stunden unterwegs war und mir eine nette Putzfrau eine Flugzeugdecke gab, konnte ich bis zu meinem Weiterflug nicht wirklich schlafen.
Naja, irgendwann saß ich dann zwischen einer ganzen Meute Geschäftsleute im Flieger nach Chicago. Zuvor wurde ich noch von einem anderen Flugbegleiter angeschnauzt, weil ich es gewagt hatte, mich zu erkundigen, wohin mein Gepäck denn jetzt geleitet würde. Aber das Anschnauzen von Mitarbeitern dieser unheimlich kompetenten und gut organisierten Fluglinie (Achtung: Sarkasmus) war ich ja mittlerweile gewohnt.
Ich kam auch tatsächlich irgendwann in Chicago an, aber meine Koffer natürlich nicht. Wieso auch. Das wäre ja zu einfach gewesen. Also habe ich beim nächsten Mitarbeiter meine Koffer als vermisst gemeldet, mich wieder anschnauzen lassen, habe wieder um das Busticket nach Hause gebettelt und so weiter und so fort. Ich war so wie so schon im Koma, weil mittlerweile 35 Stunden ohne Schlaf und meine Zahnbürste hatte ich auch irgendwo in einer Flughafentoilette liegen gelassen. Scheiße!
Wenn ich den Flug bei einer anderen Fluglinie, die man nicht (wegen ihrer Abkürzung) mit den anonymen Alkoholikern verwechseln sollte, gebucht hätte, wäre ich 12 Stunden eher, ohne Nacht am Flughafen und wahrscheinlich noch ein paar Dollar günstiger MIT meinen Koffern in Chicago angekommen. Aus Fehlern lernt man.
Mit dem Bus waren es ja dann auch nur noch 3 1/2 Stunden nach MadTown und noch mal 20 Minuten bis zu meiner Studentenwohnung. Wie ich nach Hause gekommen bin, weiß ich nicht mehr ganz so genau, denn irgendwann hatte ich dann einen Filmriss. Es könnte sein, dass mir im Bus der Sandmann begegnet ist oder auch dass ich von Aliens entführt und an mir wissenschaftliche Experiemente durchgeführt wurden. In der Situation war mir alles egal.
Wer jetzt aber meint, das wäre schon das Ende der Geschichte, der irrt sich leider. Zuhause in MadTown begrüßten mich erstmal ganze Kolonien toter Käfer und ein sehr eindringlicher Geruch. Der Manager hatte nämlich wegen des heißen Sommers und einer Ohrenkneiferplage in unseren Apartments den Kammerjäger bestellt. Also musste ich erst mal ordentlich durchlüften, um der Gefahr zu entgehen, wie einer der Käfer auf den Rücken liegend und alle fünfe (zwei Arme, zwei Beine und eine Zunge) von mich streckend in das Land der ewigen Träume zu entweichen. Ich habe also der Versuchung besonders farbenfrohe Träume zu bekommen widerstanden und habe erstmal den Käfern eine Staubsaugerbestattung bereitet.
Als ich gerade fertig war und ins Bett wollte (mittlerweile 43 Stunden ohne richtigen Schlaf), klingelte das Telefon. Die Folter-Luftgesellschaft. Sie wollten mir doch mal eben, in den nächsten 2 Stunden meine Koffer, die jetzt endlich zu Hause eingetroffen sind, vorbeibringen. Ob ich denn so lange noch zu Hause wäre.
Nee eigentlich wollte ich heute Nacht mal auf Kneipentour gehen. Oob sie mich nicht noch mal in 12 bis 24 Stunden zurückrufen könnten.
Äh nee, das ginge nicht, sonst müsste ich Gebühren für die Gepäckaufbewahrung bezahlen. Er käme dann einfach gleich mal vorbei.
Offensichtlich verstand der Mitarbeiter keinen deutschen Sarkasmus und hatte auch kein Verständnis für meinen Schlafentzug. Ich wollte gerade noch sagen, dass er das Gepäck ruhig noch behalten sollte, ich wolle doch nur schlafen, da hatte er schon aufgelegt und stand erst 2 Stunden später vor meiner Tür.
Okay, Koffer da, Käfer weg. Ich war bereit fürs Bett. Da mache ich meinen Koffer auf, um mein Nachthemd herauszukramen und ... meine Kleidung ist ganz nass. Ich hatte nichts dabei, was auslaufen hätte können und der Koffer war nur von innen nass. GELB und nass. Ich habe keine blasse Ahnung, was da passiert ist. Vielleicht hat ein netter Beamter vom Grenzschutz eine Tasse Kamillentee über meine Sachen gekippt, oder ein Hund, der nach Drogen schnüffeln sollte.... Naja, das könnt Ihr Euch vielleicht selber vorstellen. Jedenfalls bin ich mit einem anderen Nachthemd ins Bett und habe am nächsten Tag alles gewaschen. Ich überlasse es Eurer Fantasie, was da passiert ist, aber ich kann Euch sagen, es hat nicht nach Kamillentee geduftet...